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Obdachlosigkeit in der Schweiz

Quelle: iStock/photos

Obwohl die Schweiz ein sehr wohlhabendes Land ist, leben hier viele Menschen ohne fixes Dach über dem Kopf. Gassenarbeiter*innen berichten, dass die Zahl in den letzten Jahren sogar eher noch zugenommen hat. Michel Steiner vom Basler Verein für Gassenarbeit «Schwarzer Peter» erzählt in einem Interview mit dem SRF, er sei überzeugt, dass es heute immer weniger braucht, um obdachlos zu werden. So seien unter der zunehmenden Anzahl Obdachloser heute häufiger auch sogenannte «Working Poors» dabei, Leute aus der Mittelschicht, die, obwohl sie einer Arbeit nachgehen, nicht genügend Geld für eine Wohnung verdienen. Generell gibt es mehrere Formen von Obdachlosigkeit. Grob wird unterschieden zwischen Obdachlosen, die in Notschlafstellen schlafen und sogenannten «Rough Sleepers», die draussen schlafen. Dazu kommen Menschen in «prekärer Wohnsituation», das heisst ohne eigene Wohnung, die bei Verwandten oder Freunden unterkommen.

In der Schweiz existiert häufig das Vorurteil, dass Menschen, die auf der Strasse schlafen, dies freiwillig tun, da in der Schweiz grundsätzlich jede*r Anrecht auf Sozialhilfe hat. Ganz so einfach ist die Situation jedoch meistens nicht. Vor allem ältere Leute, Menschen mit Behinderung und solche aus finanziell schwachen Verhältnissen finden zum Teil nur schwierig eine Wohnung. Zudem hängt Obdachlosigkeit häufig mit psychischen Problemen zusammen. In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurden über 400 Bewohner*innen einer sozialen Wohneinrichtung zu ihrem Gesundheitszustand befragt. Die Studie hat ergeben, dass 61% der Befragten unter mindestens einer psychischen Krankheit litten, wobei Suchterkrankungen nicht mitgezählt wurden. Werden die Suchterkrankungen mitgezählt, sind es sogar 96% aller Personen. 73% aller Befragten nahmen deshalb regelmässig Medikamente.

Bei vielen Obdachlosen wird eine bereits schwierige Situation durch die Wohnungslosigkeit dann häufig noch verstärkt. Weil sie keinen sicheren Ort und keine Privatsphäre haben, werden sie häufig zu Opfer von Belästigungen oder sogar Gewalt. Viele Frauen erzählen von Übergriffen in Notschlafstellen, weshalb sie diese dann meiden. Die schlechten sozialen Verhältnisse sind somit auch Ursprung weiterer psychischer und körperlicher Krankheiten, auch z.B. aufgrund der fehlenden Hygiene. Diese wiederum macht es umso schwieriger, aus dem Teufelskreis auszubrechen, da es aus diesem Grund oft unmöglich ist, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.  

Insgesamt ist die Obdachlosigkeit ein sehr komplexes Phänomen, das jedoch erst seit Kurzem im wissenschaftlichen Fokus steht. Im Jahr 2020 ist der erste wissenschaftliche Bericht über Obdachlosigkeit auf nationaler Ebene erschienen (https://www.researchgate.net/publication/338634020_Obdachlosigkeit_Erster_Landerbericht_Schweiz). Vorher haben lange Zeit die Medien unser Bild von Obdachlosen geprägt und tun dies auch heute noch. So wurden zum Beispiel während der Schweizer Drogenkrise in den 1980er-Jahren Obdachlose mit Drogenkonsumierenden gleichgesetzt. Auch der Erste Länderbericht Schweiz nennt kaum konkrete Zahlen zur Obdachlosigkeit, sondern zeigt hauptsächlich auf, wo in unserer Gesellschaft diesbezüglich noch Wissenslücken existieren. So fehlt beispielsweise bis heute eine rechtliche Definition von Obdachlosigkeit und ebenso eine offizielle Statistik dazu, wie viele Obdachlose es in der Schweiz insgesamt gibt. Diese zwei Dinge wären dringend nötig, um effiziente politische Massnahmen ergreifen zu können.

Aufträge

  • Unterziehen Sie zu zweit die Obdachlosigkeit dem Menschenwürde-Check. Gehen Sie dabei gemäss der Übersicht und den Beispielen im Instrument vor.

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  • Posten Sie Ihre Ergebnisse in einem gemeinsamen Raum.

  • Diskutieren Sie die einzelnen Beiträge und mögliche Uneinigkeiten.

  • Lesen Sie in folgendem Artikel, welche Strategien in verschiedenen Schweizer Städten den Winter hindurch angewendet wurden, um die Obdachlosen zu schützen.

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  • Arbeiten Sie wiederum zu zweit. Informieren Sie sich darüber, wie die Obdachlosenhilfe in Ihrer Stadt organisiert wird. Geben Sie in einer Suchmaschine den Begriff «Obdachlosenhilfe» und die entsprechende Stadt ein. Führen Sie eine Liste und notieren Sie diejenigen Massnahmen, welche Sie als sinnvoll erachten. Notieren Sie weitere zwei Ideen, wie man aus Ihrer Sicht Obdachlose (noch) besser schützen könnte.