Erstmals wurde in der Schweiz Anklage in einem Völkerstrafrechtsfall erhoben: Der Angeklagte aus Liberia wurde schuldig gesprochen. Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass Schweizer Richter*innen Recht über ein Verbrechen im Ausland sprechen?
Vor mehr als einem Jahr begann ein Gerichtsprozess gegen einen liberianischen Staatsbürger, der während des liberianischen Bürgerkriegs Kommandant einer militärischen Einheit war. Der Mann wurde wegen zahlreichen Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Rekrutierung von Kindersoldaten, die er in den 1990er Jahren in Liberia verübt haben soll, verhaftet. Nach einem mehrmonatigen Prozess wurde er schliesslich zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Das Besondere an diesem Prozess war nicht, dass der ehemalige Kommandant in der Schweiz, seinem neuen Wohnsitz, verhaftet wurde, sondern dass er auch in der Schweiz vor Gericht gestellt wurde.
Möglich war dieses Vorgehen, durch das Gesetz der universellen Gerichtsbarkeit. Staaten, die dieses Gesetz verabschiedet haben, können Ausländer*innen, die schwere internationale Verbrechen (Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) begangen haben sollen, vor Gericht stellen. In den meisten Fällen werden die Strafverfolgungsbehörden eines Landes nur tätig, wenn es eine Verbindung zwischen ihrem Land und dem Verbrechen gibt (z. B. wenn eine Deutsche in der Schweiz ein Verbrechen begeht). Im Falle der universellen Gerichtsbarkeit muss keine Verbindung zwischen dem Land und der Straftat bestehen, um sie verfolgen zu können.
Dadurch, dass immer mehr Opfer und Täter*innen von Kriegsverbrechen nach Europa auswandern, haben eine Reihe von europäischen Staaten mit der Strafverfolgung unter dem Gesetz der universellen Gerichtsbarkeit begonnen, beispielsweise Frankreich oder eben die Schweiz.
Befürworter*innen dieser Verfahren sehen diese Prozesse in unbeteiligten Ländern als Möglichkeit an, Gerechtigkeit für Opfer zu verschaffen, die sie vielleicht in ihren Heimatländern nicht erhalten können, weil die dortigen Behörden nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, die Verbrechen zu verfolgen. Die Opfer können in einem für sie sicheren Land ihre Peiniger*innen mit ihren Aussagen belasten und auch die Rechte der Angeklagten würden rechtsstaatlich gewahrt.
Kritiker*innen sehen in diesen Prozessen einen Eingriff in die Justiz der betroffenen Länder und deren Souveränität. Zudem ist auch in der Schweiz und anderen Ländern, die diese Verfahren durchführen, eine politische Motivation nicht auszuschliessen. Es bestehe auch die Tendenz, Täter*innen eher wegen Terrorismus (eines Verbrechens gegen einen Staat) als wegen Menschenrechtsverletzungen (Verbrechen gegen Menschen) zu verurteilen, weil die Beweislage bei der Anklage wegen Terrorismus oft einfacher ist. Die Opfer würden deshalb keine Genugtuung erhalten.
Ist es richtig, dass die Schweiz «ausländische Verbrechen» beurteilt? Benutzen Sie dafür das Instrument «Redemittel für (innere) Konflikte».
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