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Das Armutsrisiko wird in der Schweiz nicht vererbt

Werden Kinder, deren Eltern auf Sozialhilfe angewiesen sind, später ebenfalls Unterstützung benötigen? Eine neue Studie der Universität Luzern kommt zum Schluss, dass dies in der Schweiz nicht der Fall ist. Spätestens über eine Generation hinweg können die meisten Personen der Armut entfliehen – auch dank dem dualen Bildungssystem. Die Studie zeigt aber ebenfalls, dass die jungen Erwachsenen innerhalb der Familie einem starken Einfluss ausgesetzt sind.

Einmal Sozialhilfe, immer Sozialhilfe? Dieser Frage ist das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern nachgegangen. Die Studie hat untersucht, ob in der Schweiz tatsächlich alle Menschen die gleichen Chancen haben, wenn es darum geht, beruflich aufzusteigen und ein gutes Einkommen zu erzielen. Oder werden stattdessen die Nachkommen aus armen Familien beim Start ins Leben so stark benachteiligt, dass sie über Generationen hinweg darunter leiden müssen.

Die gute Nachricht gleich vorweg: Die Studie kommt zwar zum Schluss, dass der Einfluss der Eltern auf das Armutsrisiko gross ist. Dies bleibt aber nicht lange so. Denn der familiäre Einfluss darauf, ob jemand staatliche Unterstützung in Anspruch nimmt, setzt sich nicht von Generation zu Generation fort, sondern bildet sich schnell zurück. «Familiendynastien in der Sozialhilfe gibt es in der Schweiz nicht», sagt Melanie Häner-Müller, Co-Autorin der Studie. Ein Familienschicksal, dem die Nachkommen nicht entkommen können, besteht also nicht.

Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die jungen Erwachsenen innerhalb der Kernfamilie durchaus einem starken Einfluss ausgesetzt sind. So weisen Personen, die sozialhilfeabhängige Geschwister haben, eine 22 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf, selbst Unterstützung zu benötigen. Vergleicht man dies mit einer Person, deren Geschwister keine Sozialhilfe beziehen, so kommt das einer Verzehnfachung des Risikos gleich.

Für die Studie wurden junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 33 Jahren untersucht. Zahlen aus anderen Untersuchungen würden zeigen, dass jüngere Menschen für dieses Risiko anfälliger und häufiger auf Sozialhilfe angewiesen sind, bestätigt Ökonomin Melanie Häner-Müller. Es ist aber natürlich möglich, dass sich ältere Personen später beruflich etablieren können und aus der Armut herausfinden.

Untersucht wurde ausserdem die Langzeitwirkung des Familienhintergrunds. Interessant hierbei: Der Einfluss, den die Grosseltern auf ihre Enkelkinder haben, ist deutlich tiefer als jener der Eltern. Beziehen die Grosseltern Sozialhilfe, so besteht bei den Enkelkindern nur noch eine um 4 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie ebenfalls Unterstützung benötigen. «Die Kernfamilie hat einen starken Einfluss, aber zum Glück verblasst dieser schnell – diese Erkenntnis ist neu», sagt Häner-Müller. Es gibt also Möglichkeiten, der Armut zu entfliehen.

Der Einfluss der Familie verschwindet aber nicht in allen Bereichen gleich schnell. Die Studie stellt fest, dass er im Unterschied zum Einkommen oder zur Sozialhilfeabhängigkeit bei der Bildung länger bestehen bleibt. Das Bildungsniveau wird also noch eher über Generationen hinweg vererbt. Aus Schweizer Sicht gibt es aber auch hier erfreuliche Nachrichten: Kinder aus bildungsfernen Familien haben hierzulande deutlich bessere Entwicklungschancen, als das anderswo der Fall ist. Als Grund dafür führt Melanie Häner-Müller das duale Bildungssystem der Schweiz an. Dieses ermöglicht es auch Personen ohne Hochschulabschluss, berufliche Fortschritte zu erzielen. In den USA zum Beispiel ist der Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen deutlich stärker. 

Die Studie belegt zwar, dass die Schweiz grosse Entwicklungschancen bietet. Sie zeigt jedoch auch, dass für junge Erwachsene aus Sozialhilfeempfängerfamilien der Start ins Erwerbsleben hart sein kann. Eben da müsste der Hebel künftig angesetzt werden, findet das Autorenteam. «Wenn man etwas verbessern will, dann in der Kernfamilie», so Häner-Müller.

Auftrag

  • Woher komme ich – wohin will ich?

    • Denken Sie über Ihre Herkunft nach: Welche Rolle spielt(e) die familiäre Situation (Ausbildung der Eltern/Grosseltern, finanzielle Ausgangslage, Anzahl und Ausbildung Geschwister usw.) für Ihre Ausbildungswahl und berufliche Entwicklung? Schreiben Sie eine kurze Reflexion (5–7 Sätze).
    • Notieren Sie drei familiäre Faktoren, die Sie in Ihrer beruflichen Zukunft fördern könnten, und drei, die Sie behindern könnten.
  • Wie viel Geld braucht man zum Leben?

    • Lesen Sie das Instrument «Budget mit fixen und variablen Kosten» durch. Schauen Sie sich in der Tabelle das Budget-Beispiel der 17-jährigen Elektronikerin an und verrechnen Sie die hypothetisch aufgelisteten Ausgaben mit Ihren persönlichen Einnahmen.
    • Wie viel bleibt monatlich übrig, wenn Ihre Eltern die Fixkosten übernehmen? Wie könnten Sie das übrige Geld sinnvoll investieren/ausgeben?
    • Wie sieht hingegen die Differenz Ihrer Einnahmen und Ausgaben aus, wenn Sie alle Ausgaben (inkl. Fixkosten) selber tragen und zusätzlich noch CHF 300.– fürs Wohnen zuhause abgeben müssten? Wo entstehen finanzielle Schwierigkeiten? Tauschen Sie sich darüber mit Ihrer Tischnachbarin / Ihrem Tischnachbarn aus.
    • Überlegen Sie sich gemeinsam zwei realistische Spar-, Verdienst- oder Unterstützungsmöglichkeiten. Welche Konsequenzen hätten diese für Sie?
  • Wie verändert KI meinen Beruf?

    • Sehen Sie sich das Video «Wo können wir in Zukunft noch arbeiten?» an. Welche Veränderungen in der Arbeitswelt beobachten Sie (z. B. Digitalisierung, KI, neue Kundenerwartungen)? Tauschen Sie sich in Kleingruppen aus.
    • Sammeln Sie in den Gruppen drei Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich, die sich in naher Zukunft durch KI oder Automatisierung potenziell verändern werden.
    • Überlegen Sie ausserdem, welche Fähigkeiten in Zukunft wichtiger werden könnten. Recherchieren Sie in Einzelarbeit Weiterbildungs- oder Praxismöglichkeiten (z. B. Kurse, Jobs, Projekt an der Schule), um diese Kompetenzen zu erwerben.